Im Augenblick der Angst, E 1987

mit Zelda Rubinstein, Michael Lerner und Talia Paul
Regie: Bigas Luna

Wenn man lang genug in einen Abgrund hineinblickt – heißt es bei Nietzsche – dann blickt der Abgrund irgendwann zurück. Dasselbe gilt auch für Filme, und in ganz besonderem Maße für „Im Augenblick der Angst“ von Bigas Luna. Entstanden Mitte der Achziger Jahre, auf dem Höhepunkt der Teenie-Horror-Welle, ist er eine Reflexion über das Slashergenre, gleichzeitig aber auch ein Film über das Publikum selbst, indem er zeigt, was geschieht, wenn ein Film plötzlich Macht über seine Zuschauer bekommt. Im Zentrum steht der von Michael Lerner herrlich verschmitzt gespielte Krankenpfleger mit Mutterkomplex, der auf nächtlichen Raubzügen nach den Augen seiner Mitmenschen trachtet. Und welcher Ort wäre für diese Unternehmung besser geeignet, als ein Kino, in dem ein spannender Film läuft. Es geht also ein Killer um, und wer sich von dem Geschehen auf der Leinwand fesseln läßt, stirbt. Das ist aber alles wiederum nur ein Film, den sich Patty und Linda nachmittags in einem Kino anschauen. Bis Patty merkt, daß die sanfte Hypnose, welche der Film in seinem Vorspann verspricht, beim Publikum ringsum Wirkung zeigt. Geht auch bei ihnen im Saal ein Mörder um? Und tatsächlich sind bald alle Ein- und Ausgänge verrammelt und draußen auf der Toilette stapeln sich die Leichen.
Bigas Lunas Film nutzt gekonnt die Paranoia und die Klaustrophobie des Kinoraums. Ähnlich wie Woody Allen im nur zwei Jahre zuvor entstandenen „Purple Rose Of Kairo“ ist Luna dabei aber nicht an Medienkritik interessiert. Es geht vielmehr um die Lust des Schauens, die Auflösung des eigenen Selbst in gemeinschaftlicher Empathie. Grundvoraussetzung für das Gelingen eines Films ist die Bereitschaft des Zuschauers, sich einzulassen. Dabei deckt Luna immer wieder die Tricks guten Geschichtenerzählens auf, um sie sogleich selbst anzuwenden. Nicht ganz ohne dramaturgische Längen und Redundanzen – zugegeben – aber dank großartiger Darsteller immer faszinierend. Besonders hervorzuheben ist hierbei Zelda Rubinstein, die als durchgedrehte Mutter ihr Paradestück liefert. Wenn dann die Hypnosespiralen anfangen sich zu drehen und die Musik ins Delirium gerät, wirft man automatisch paranoide Blicke über die eigene Schulter oder fragt sich, ob es am Ende vielleicht tatsächlich funktioniert. Doch ein Film selber kann nicht böse sein. Bloß der Mensch. Und was ein Film darstellt ist letztendlich nur, was die Realität hergibt. Und darum kann – und das ist der eigentliche Horror in Bigas Lunas verkanntem Klassiker – das Abschalten des Projektors den Alptraum auch nicht stoppen.

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