Wild Dogs (Cani Arrabbiati), Bava, IT 1974

Wild Dogs (Cani Arrabbiati), IT 1974

mit Riccardo Cucciolla, Don Backy, Lea Lander, Maurice Poli, Luigi Montefiori (George Eastman)
Regie: Mario Bava (Lamberto Bava)

In der Eröffnung des Thrillers „Wild Dogs“, ebenfalls bekannt als „Rabid Dogs“ und „Kidnapped“, überschlagen sich die Ereignisse. Ein blutiger Überfall auf einen Geldtransport mündet in eine rasante Verfolgungsjagd, welcher der erste Gangster zum Opfer fällt, und scheitert mit der Geiselnahme in einer Tiefgarage. Scheinbar aussichtslos blicken die drei verbliebenen Verbrecher auf die Front der Exekutive. Doch dann ermorden sie eine Geisel, kidnappen eine junge Frau, Maria (wie könnte es in italienischen Filmen auch anders sein) und einen Mann mit einem kranken Kind auf dem Rücksitz eines Autos. Sie entkommen der Polizei und der Film beginnt. In der beklemmenden Enge des Wagens offenbart sich das wahre Wesen der Protagonisten, das Potential des Wahnsinns, der schließlich jeden Einzelnen über die Grenzen des Kontrollierbaren führt.

Nachdem Mario Bava sich durch Filme wie „Blutige Seide“ und „Die Stunde wenn Dracula kommt“ als Meister des Gothic Horror und Wegbereiter des Giallo einen Namen gemacht hatte, wurden seine letzten Inszenierungen drastischer in der Darstellung von Gewalt, entbehrten aber der grellen visuellen Reize seines Hauptwerkes. Neben seinem Spätwerk „Bay of Blood“ (`71) stellt auch „Wild Dogs“ eine Abkehr von der atmosphärischen Farbdramaturgie in Richtung Realismus dar. In der Fertigstellung taten sich jedoch beträchtliche Hürden auf und Mario Bava verstarb 1980 – lange vor der Veröffentlichung seines Films.

Als Bava die Dreharbeiten 1974 beendete, meldete sein damaliger Produzent Konkurs an und die Aufnahmen wurden zunächst von italienischen Gerichten beschlagnahmt.
Der Sohn des Regisseurs, Lamberto Bava, versuchte erfolglos sich das Material zu sichern. Erst 1996 gelang dies dem deutsch-italienischen Label Lucertola und gemeinsam mit der Hauptdarstellerin und Coproduzentin Lea Lander wurde der Film schließlich rekonstruiert. Lamberto Bava drehte sogar zusätzliche Szenen, die allerdings nur in manchen Fassungen enthalten sind. Gemeinsam mit dem Produzenten Alfredo Leone veränderte er das Ende und Stelvio Cipriani, der bereits das Original vertont hatte, unterlegte das Ganze mit einem neuen Soundtrack.

Was Bava selbst von dem Resultat gehalten hätte, ist schwer zu sagen, scheint aber zumindest durch die Bemühungen seines Sohnes um Werktreue einigermaßen legitimiert.

Giallo-Liebhaber warten vergebens auf ritualisierte oder fetischisierten Bluttaten und Vorzeichen des Verbrechens. In „Wild Dogs“ herrscht ein dreckiger, unverfälschter Realismus, mit entfesselter Handkamera, die stets nah an den Figuren ist, und dem ganzen quasi-dokumentarische Züge verleiht. Der Psychothriller wird als Kammerspiel in einem Auto umgesetzt in dem die üblichen Mordszenen hinter die Darbietung der Abhängigkeiten im rollenden Faradayscher Käfig zurücktreten. Die Perversionen, die Machtspiele von Täter und Opfer werden ungeschönt dargestellt, ohne Umweg über stilisierte Kamerafahrten und ausgesuchte Dekors. Brutalität und Sadismus, die im Kontext einer psychosexuellen Pathologie stehen, unterbrechen streckenweise das Stück und schlagen so dann doch wieder eine Brücke zum Giallo. Eine Identifikation mit einer der Figuren scheint emotional kaum möglich. Es gibt keine Helden, keine reinen Opfer oder Täter mit denen wir mitfühlen könnten. Der allseitige Kontrollverlust, ist jedoch stets spürbar: Enge, Hitze, Schweiß und Angst – man kann sie riechen, schmecken. Man selbst leidet mit bis zum Schluss.

Ob der Film dabei an Grenzen geht, ob es sich um einen Randfilm handelt, liegt sicher im Auge des Betrachters. Mit aktuellen Produktionen ist dieser Thriller nicht einfach zu vergleichen. Er ist anders, die Plastizität der Gewaltdarstellung nicht so extrem wie Cineasten von heute es gewohnt sind. Aber gerade darum wirkt die Szenerie so überzeugend realistisch.

Von der deutschen Synchronisation lässt sich das leider nicht sagen. Diese kommt so hölzern und uninspiriert daher, dass man diesmal auf jeden Fall die italienische Originalfassung sehen und hören sollte. Aber auch mit der richtigen Tonspur fällt es schwer, den Film in das Gesamtwerk Bavas einzuordnen. Trotz – oder vielleicht sogar wegen seiner gestalterischen Nähe zu Filmen wie „Last House on the left“, gilt es diesen Film wiederzuentdecken und jene Elemente herauszufinden, die eben doch einen typischen Bava ausmachen: Das Porträt des abgrundtief Bösen, welches mitten im Menschen lauert, und daher manchmal viel näher ist, als man denkt. In seinem letzten Werk gibt es keine Spur übernatürlicher Mächte. Es bleibt lebensnah, zermürbend bitter.

Bildquelle: http://filmenu.ru/dikie-psy-cani-arrabbiati-rabid-dogs-pohishhenie-kidnapped-1974-mario-bava-lamberto-bava.html