Toby Dammit, F/IT 1968

mit Terence Stamp, Salvo Randone und Marina Yaru
Regie: Federico Fellini

Sucht man im europäischen Kino nach profilierten Horror-Regisseuren wird man vielleicht nicht sofort auf Federico Fellini kommen. Dabei sind seine Filme voll von Elementen des Phantastischen und Irrationalen, ist das Unheimliche stets als Echo aus der Kindheit oder Ausdruck tiefer seelischer Konflikte präsent. Trotzdem ist sein einziger echter Genrebeitrag gleichzeitig auch einer der schaurigsten Filme der Sechziger Jahre: Ein alkoholkranker Schauspieler kommt nach Rom , um an den Dreharbeiten eines Western mitzuwirken. Massenveranstaltungen, mondäne Feste, Modeschauen und Preisverleihungen muß er über sich ergehen lassen, doch der falsche Glamour und der Budenzauber treiben ihn nur immer tiefer in Lethargie und Lebensmüdigkeit. Schließlich folgt er dem Ruf des Teufels und bricht – nachdem er mit einer Haßtirade auf der Bühne einen Skandal verursacht hat – mit seinem Sportwagen zu einer wilden Amokfahrt ins Herz der Finsternis auf. Fellini inszeniert die nur 37 Minütige Episode des Omnibusfilms „Tre passi del delirio“ als uferlosen Rausch, Bilder, Farben, Töne von unerhörter Fremdartigkeit und Schönheit, mit einer Dichte und visuellem Einfallsreichtum, der für mehrere Stunden gereicht hätte. Von der Literaturvorlage Edgar Allan Poes („Never bet the devil your head“) bleibt dabei nur der Titel, eine Brücke und eine übertriebene Wette übrig. Poes aristokratischen Helden verwandelt er in einen zügellosen Popstar, dem wie ein Schlafwandler im nicht enden wollenden, quälenden Zustand des Aufwachens allmählich dämmert, in was für eine böse Farce er geraten ist. Doch der Versuch, sich gegen sein Schicksal aufzulehnen, sein Befreiungsschlag, wird zugleich sein Untergang. Der Figur des Toby Damnit hält Fellini eine Gesellschaft entgegen, die durch und durch vom schönen Schein korrumpiert ist, versessen auf Fernsehen und Konsum. Nirgends gedeiht noch etwas Echtes oder Wahres. Man ist, obwohl am Leben, bereits in der Hölle gelandet. Die Apokalypse ist längst alltagstauglich. Nicht von Ungefähr erinnert hier vieles an Herakles in der Untwelt – Fellini plündert die Stilmittel des europäischen Kinos, aus Mario Bavas „Operazione Paura“ sogar die Figur des Teufels, und nimmt vieles vorweg, was später bei Dario Argento als psychedelischer Bildersturm wieder auftauchen sollte. Zooms, Spiegelungen, Nebelschwaden, monochrome Bilder, Doppelbelichtungen, und allen voran eine ausgefeilte Farbdramaturgie, die er bereits in „Julia und die Geister“ erforscht hatte. Untermalt von der treibenden Musik Nino Rotas, mit ihrer nonchalanten Melancholie konterkarierend und die Ausweglosigkeit der Hauptfigur kommentierend, bis sich alles in einem für Fellini untypischen, pointensicheren Gänsehautfinale auflöst. Und weil Fellini jedem seiner Filme autobiografische Züge verleiht, ist das Ganze nicht nur als eine Allegorie auf den gesellschaftlichen Untergang, sondern auch als sexuelle Notstandserklärung deutbar, wo irgendwann eine hübsche erwachsene Frau als rettender Engel erscheint. Der Teufel dagegen – ist ein kleines Mädchen.

Quelle Beitragsbild: http://andersonvision.com/wp-content/uploads/2014/06/TOBYDAMMITH