Der Film ist gleich in doppelter Hinsicht Zeugnis einer vergangenen Zeit. Nicht nur wegen des inhaltlichen Bezugs auf die k.u.k-Monarchie, sondern auch wegen seiner Entstehung zur Hochzeit des Porn-Chic in den 1970er Jahren, als man noch auf 35mm und so weiter…früher war eben alles besser, und das war schon immer so.
Hans Billian, der fast die gesamten Fünfziger Jahre lang Produktionschef bei der renommierten Constantin-Film gewesen war, etliche Schlager- und Heimatfilme geschrieben und inszeniert hatte, wußte, wonach das Publikum dürstete: Heimatgemütlichkeit, Sex und zotiger Humor. Eine Mischung, die hier fast parademäßig zusammenkommt. Waren bis dahin neben den Winnetou-Filmen vor allem die Schulmädchen-Reports Kassenknüller in Deutschland, öffnete die Legalisierung von Pornographie im Jahr 1975 völlig neue gestalterische Möglichkeiten. Und so war es nach dem soften „Mutzenbacher“-Film mit Christine Schubert aus von 1970 nur eine Frage der Zeit bis zu einer etwas werkgetreueren Verfilmung der umstrittenen Literaturvorlage. Billians Film hält sich dann auch ziemlich eng an deren Ablaufplan, erzählt von dem Werdegang der blutjungen Josefine zur Prostituierten, vom Petting mit dem Stiefbruder bis zum Sex mit dem Kohlehändler, dem Untermieter, dem Pastor und schließlich gar dem Stiefvater. Der damit verbundene Tabubruch ist eine kalkulierte Provokation, ein selbst im Pornogenre eher seltener Schlag gegen das Kleinbürgertum. Aus dem Porno wird eine Porno-Parodie, mit der hinterlistigen Absicht, dem Zuschauer Lust zu machen und ihm diese Lüsternheit dann vorzuwerfen, um die Mauern der Doppelmoral dadurch einzureißen..
Denn in der Welt der Josefine Mutzenbacher ist Sex die treibende Kraft hinter allem. Andere Motivationen und Bedürfnisse gibt es eigentlich nicht. Doch die Lust wird stets mit dem Deckmantel der Anständigkeit kaschiert. Billians Sympathie liegt dabei eindeutig bei seinen Heldinnen. Ihre vordergründige Naivität ist stets ein unverhohlener Hedonismus, welcher im krassem Kontrast zur männlichen Triebhaftigkeit steht. Diese Triebhaftigkeit wird immer wieder zum Stolperstein für die Männer und macht sie damit als Hüter der Moral unbrauchbar.
Am deutlichsten wird das in einer Szene, in der ein Pornofotograf, der Josefine als Modell für einen Dreier gebucht hat, seiner eigenen Frau, die ebenfalls im Bild zu sehen ist, immer wieder verbietet, sich mit dem besten Stück des männlichen Modells zu penetrieren. Ein Verbot, das die Damen natürlich immer wieder untergraben.
„Josefine Mutzenbacher“ ist bestimmt kein großer Schritt für die Frauenbewegung oder die Geschichte des Kinos. Dennoch, wegen seiner Doppelbödigkeit, der flott inszenierten Nummern und nicht zuletzt der hervorragenden Schauspielleistung von Patricia Rhomberg, die Ihrer Rolle eine große Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit verleiht, ein bleibender Klassiker seiner Gattung, der auch heute noch in der Lage ist, sein Publikum über 90 Minuten hinweg – im wörtlichsten Sinne – bei der Stange zu halten. Eben ein Zeugnis längst vergangener Zeit.